Raum 12 / Informelle Mitarbeiter


Iris Stephan

Raumpate: Adolf Luther, Die Zerreißung

Eine eher ungebräuchliche Substantivierung des Verbs zerreißen dient 1961 einem der Hauptvertreter der deutschen Kinetik, Adolf Luther, als Titelelement für den üppigen Farbauftrag schwarzer Farbe auf zwei Holzplatten. Zunächst an ihren „bemalten“ Seiten zusammengefügt, entsteht durch das Auseinanderreißen jene Oberfläche, die die sichtbaren Krater und Schattenmulden bildet, welche dem Licht - dessen rezeptiver Habhaftwerdung - als Medium dienen sollen. Luthers "Zerreißung" entsteht auf seinem Weg, das Licht jenseits eines Materialträgers sichtbar machen zu wollen und repräsentiert damit eine Phase des Künstlers, die von Experimenten geprägt war. Und die später zu solchen Arbeiten wie dem "Hohlspiegel" führen sollten, den Ines Braun im 1. OG des Neubaus als Paten für ihre "Pelagische Zone" gewählt hat.

Iris Stephan nutzt die allegorische Qualität der formalen Idee Luthers und interpretiert auf ihre eigene Weise den Prozess der Zerreißung als auf einer menschlichen Ebene angesiedelt. Demgemäß sind Stephans Zerreißungen in ihrer sechsteiligen Objektkasten-Serie "Informelle Mitarbeiter" nicht allein Traumata äußerer Prozesse geschuldet. Es sind die inneren Zerreißungen, die sie zu ihren assemblageartigen Foto-Objekt-Kästen über solche Themen wie Misstrauen, die Unklarheit des Verrats, Schein und Sein und schattenhafte Dunkelheit menschlicher Lebenswelten arbeiten lassen und die die Künstlerin damit erneut zur Entblößung eines gern verdrängten Teils unseres kollektiven historischen Gedächtnis inspirieren.






Adolf Luther, Materialbild, schwarze Zerreissung, Pastose Masse auf Hartfaser, 61 x 49 x 35 cm, 1961